shibashi

Autor: Matthias Wagner 2015

Taiji Qigong Shibashi, das Qigong der 18 Bewegungen gehört mittlerweile zu den verbreitetsten und beliebtesten Qigongformen weltweit. Entwickelt wurde es ab Ende der 1970er Jahre von Professor Lin Housheng (林厚省教授 ).
Lin Housheng, Jahrgang 1939, Professor für Physiologie und Anatomie an der Universität Shanghai, veröffentlichte 1978 einen ersten Artikel über „vorläufige Testergebnisse zur materiellen Grundlage der Qigong-Therapie-Methode“. Er befasste sich hauptsächlich mit der nachweisbaren körperlichen Auswirkung von Qi-Übertragungen, z.B. zur Schmerzbekämpfung. 1979 konnte er seine Ergebnisse einer Regierungskommission und einem Kollegium von über 300 Wissenschaftlern vorstellen. Im selben Jahr stellte er seine Methode der 18 Bewegungen (chin. 十八式, Pinyin: Shíbāshì) vor.
Ein Jahr später veröffentlichte er beim Wissenschaftsverlag Guangdong das erste Qigongbuch nach der Kulturrevolution: „Qigong macht gesund (气功使人健康)“. Ebenfalls 1980 gelang ihm die erste Qigong-Anästhesie während einer Schilddrüsenoperation.
home
Ab 1989 bereiste Professor Lin die ganze Welt um sein Qigong zu präsentieren. Heute beschäftigt er sich hauptsächlich mit der Entwicklung medizinischer Geräte, die den Einsatz von äußerem Qi in der Behandlung ersetzen sollen.
Taiji Qigong Shibashi
Professor Lin Housheng
Das System der 18 Bewegungen umfasst  8 Sätze von unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad. Sechs davon bestehen aus je 18 Bewegungsübungen, einer aus einer Auswahl, einer Art best of der übrigen Sätze. Einen Sonderstatus nimmt der vierte Satz ein, der aus achtzehn Programmen zur Vorbeugung und Linderung von Gesundheitsproblemen besteht. Zu jedem Bereich (Bluthochdruck, Herzprobleme, Diabetes etc.) werden Meditationsübungen, Akupressur,  Massagen und Übungen aus den ersten beiden Sätzen des Shibashi kombiniert.
Die 108 Übungen der restlichen Sätze extrahieren Bewegungsabläufe aus dem Yang-Stil-Taijiquan und werden jeweils in einer durchlaufenden „Form“ zusammengefasst. Das Ziel der Übungen ist es, den Körper zu entspannen und den Geist zu beruhigen. Der Tonus aller Muskeln soll verbessert und der gesamte Stoffwechsel und Energiefluss angeregt werden. Dazu trägt auch die tiefe Bauchatmung bei, die mit den Bewegungen synchronisiert und deren Frequenz damit gezielt gesteuert wird.
Bewegung
Der erste Satz des Shibashi ist auch für Ungeübte leicht auszuführen. Er kann problemlos „mitgelaufen“ werden, d.h. ohne eigene Kenntnis der Übungen. Fast alle Übungen werden im schulterbreiten Parallelstand ohne Schritte geübt.
ausschließlich im direkten Lehrer-Schülerkontakt unterrichtet. Gleichzeitig werden die Einblicke in die „Innere Alchemie“ und die Energiearbeit vertieft.

Hier liegt eine der größten Stärken des Systems: Es empfängt den Anfänger mit Übungen, die ihm keinerlei Vorkenntnisse oder körperliche Fitness abverlangen. Der erste Satz ist sogar im Rollstuhl ausführbar (Der chinesische Meister Wing Cheung* hat hierzu eigenes Unterrichtsmaterial entwickelt). Die weiteren Sätze fordern zunehmend Vorkenntnisse, körperliche Fitness und Geschicklichkeit und führen weit in den Bereich der Meditation und der traditionellen chinesischen Medizin hinein.
Atmung
Der zweite Satz ist koordinatorisch schwieriger und anstrengender als der erste. Hier kommen mehr Übungen vor, die diagonale und kombinierte Raumrichtungen nutzen, die tiefe Stände auf einem Bein oder komplexere Kombinationen von Schritten mit nichtsynchronen Armbewegungen erfordern. Der dritte Satz setzt die Tendenz zu größerer Körper-beherrschung, Geschmeidigkeit und Balance fort.
Der vierte und die folgenden Sätze werden
Der Lehrstoff schreitet also gleichsam von außen nach innen fort: Nach der äußeren Einstudierung der Bewegungsabläufe wird die Atmung mit den Übungen synchronisiert – ein Vorgang, der den Anfänger überfordern würde, wenn er noch mit der äußeren Choreographie der Übungen beschäftigt ist. Das Ziel einer tiefen und entsprechend langsamen Bauchatmung hat eine ganz praktischen Hintergrund: Ziel der Übung sind Gesundheit und ein langes Leben.
Ein Blick in die Zoologie zeigt, dass die Langlebigkeit einer Art mit ihrer Atemfrequenz umgekehrt korreliert.
Innere Alchemie
Es nimmt einige Jahre der kontinuierlichen Übung in Anspruch, bis weitere Schritte zur „Inneren Alchemie“ möglich sind. Die Wahrnehmung der Ströme des „Wai Qi“ und „Nei Qi“ (Äußerer und Innerer Lebensenergie) und ihre Lenkung oder die Öffnung der „Energietore“ erfordern geduldiges und sorgfältiges Üben der Bewegungen UND der dazugehörenden Meditationsanweisungen. Dabei ist die Anleitung durch einen guten Lehrer unerlässlich.
Das Nachahmen von Qigongübungen nach YouTube oder DVD fördert in begrenztem Rahmen sicherlich die Gesundheit, führt aber über eine gymnastische Wirkung nicht hinaus. Wer eine Ausbildung zum Lehrer ins Auge fasst, sollte sich darüber im Klaren sein, dass die jahrelangen Lehrerbeziehungen der chinesischen Meister von täglichem und  ganztägigem Training geprägt waren, ein System, das heute kaum mehr denkbar ist, was eine gewisse Demut im Umgang mit Meistertiteln nahelegt.